Der Führer und
Oberste Befehlshaber
F.H.Qu., den 18.12.40
der Wehrmacht
OKW/WFSt/Abt. L (I) Nr. 33
408/40 gK Chefs.
Chef Sache
Nur durch Offizier
9 Ausfertigungen 2. Ausfertigung
W e i s u n g Nr. 21
Fall Barbarossa.
Die deutsche Wehrmacht muss darauf vorbereitet sein, auch vor
Beendigung des Krieges gegen England Sowjetrussland in einem
schnellen Feldzug niederzuwerfen (Fall Barbarossa).
Das Heer wird hierzu alle verfügbaren Verbände einzusetzen
haben mit der Einschränkung, dass die besetzten Gebiete gegen
Überraschungen gesichert sein müssen.
Für die Luftwaffe wird es darauf ankommen, für den Ostfeldzug
so starke Kräfte zur Unterstützung des Heeres freizumachen, dass mit
einem raschen Ablauf der Erdoperationen gerechnet werden kann und
die Schädigung des ostdeutschen Raumes durch feindliche Luftangriffe
so gering wie möglich bleibt. Diese Schwerpunktbildung im Osten
findet ihre Grenze in der Forderung, dass der gesamte von uns
beherrschte Kampf- und Rüstungsraum gegen feindliche Luftangriffe
hinreichend geschützt bleiben muss und die Angriffshandlungen gegen
England, insbesondere seine Zufuhr, nicht zum Erliegen kommen
dürfen.
Der Schwerpunkt des Einsatzes der Kriegsmarine bleibt auch
während eines Ostfeldzuges eindeutig gegen England gerichtet.
Den Aufmarsch gegen Sowjetrußland werde ich gegebenenfalls
acht Wochen vor dem beabsichtigten Operationsbeginn befehlen.
Vorbereitungen, die eine längere Anlaufzeit benötigen, sind - soweit
noch nicht geschehen - schon jetzt in Angriff zu nehmen und bis zum
15. 5. 41 abzuschliessen.
Entscheidender Wert ist jedoch darauf zu legen, daß die Absicht
eines Angriffes nicht erkennbar wird.
Die Vorbereitungen der Oberkommandos
sind auf folgender Grundlage zu treffen:
I. Allgemeine
Absicht:
Die im westlichen Russland stehende Masse des russischen Heeres
soll in kühnen Operationen unter weitem Vortreiben von Panzerkeilen
vernichtet, der Abzug kampfkräftiger Teile in die Weite des
russischen Raumes verhindert werden.
In rascher Verfolgung ist dann eine Linie zu erreichen, aus der die
russische Luftwaffe reichsdeutsches Gebiet nicht mehr angreifen
kann. Das Endziel der Operation ist die Abschirmung gegen das
asiatische Russland aus der allgemeinen Linie Wolga - Archangelsk.
So kann erforderlichenfalls das letzte Russland verbleibende
Industriegebiet am Ural durch die Luftwaffe ausgeschaltet werden.
Im Zuge dieser Operationen wird die russische Ostseeflotte
schnell ihre Stützpunkte verlieren und damit nicht mehr kampffähig
sein.
Wirksames Eingreifen der russischen Luftwaffe ist schon bei
Beginn der Operation durch kraftvolle Schläge zu verhindern.
II. Voraussichtliche
Verbündete und deren Aufgaben:
1.) Auf den Flügeln unserer Operation ist mit der aktiven Teilnahme
Rumäniens und
Finnlands am Kriege gegen Sowjetrussland zu rechnen.
In welcher Form die
Streitkräfte beider Länder bei ihrem Eingreifen deutschem Befehl
unterstellt werden, wird das Oberkommando der Wehrmacht zeitgerecht
vereinbaren und festlegen.
2.) Rumäniens Aufgabe wird es sein, den Angriff des deutschen
Südflügels, wenigstens in seinen Anfängen, mit ausgesuchten Kräften
zu unterstützen, den Gegner dort, wo deutsche Kräfte nicht angesetzt
sind, zu fesseln und im übrigen Hilfsdienste im rückwärtigen Gebiet
zu leisten.
3.) Finnland wird den Aufmarsch der aus Norwegen kommenden
abgesetzten deutschen
Nordgruppe (Teile der Gruppe XXI) zu decken und mit ihr
gemeinsam zu operieren haben. Daneben wird Finnland die Ausschaltung
von Hangö zufallen.
4.) Mit
der Möglichkeit, dass schwedische Bahnen und Strassen für den
Aufmarsch der deutschen Nordgruppe spätestens von Operationsbeginn
an zur Verfügung stehen, kann gerechnet werden.
III. Die Führung der
Operationen:
A.) Heer (in Genehmigung
der mir vorgetragenen Absichten):
In dem
durch die Pripetsümpfe in eine südliche und eine nördliche Hälfte
getrennten Operationsraum ist der Schwerpunkt nördlich dieses
Gebietes zu bilden. Hier sind 2 Heeresgruppen vorzusehen.
Der südlichen dieser beiden Heeresgruppen - Mitte der Gesamtfront -
fällt die Aufgabe zu, mit besonders starken Panzer- und mot.
Verbänden aus dem Raum um und nördlich Warschau vorbrechend die
feindlichen Kräfte in Weißrussland zu zersprengen. Dadurch muß die
Voraussetzung geschaffen werden für das Eindrehen von starken Teilen
der schnellen Truppen nach Norden, um im Zusammenwirken mit der aus
Ostpreussen in allgemeiner Richtung Leningrad operierenden
nördlichen Heeresgruppe die im Baltikum kämpfenden feindlichen
Kräfte zu vernichten. Erst nach Sicherstellung dieser
vordringlichsten Aufgabe, welcher die Besetzung von Leningrad und
Kronstadt folgen muss, sind die Angriffsoperationen zur Besitznahme
des wichtigen Verkehrs- und Rüstungszentrums Moskau fortzuführen.
Nur ein überraschend schnell eintretender Zusammenbruch der
russischen Widerstandskraft könnte es rechtfertigen, beide Ziele
gleichzeitig anzustreben.
Die wichtigste Aufgabe der Gruppe XXI bleibt auch während der
Ostoperationen der Schutz Norwegens.
Die darüber hinaus verfügbaren Kräfte sind im Norden (Geb.-Korps)
zunächst zur Sicherung des Petsamo-Gebietes und seiner Erzgruben
sowie der Eismeerstrasse einzusetzen, um dann gemeinsam mit
finnischen Kräften gegen die Murmansk-Bahn vorzustossen und die
Versorgung des Murmansk-Gebietes auf dem Landwege zu unterbinden.
Ob eine derartige Operation mit stärkeren deutschen Kräften
(2-3 Div.) aus dem Raum von Rovaniemi und südlich geführt werden
kann, hängt von der Bereitwilligkeit Schwedens ab, seine Eisenbahnen
für einen solchen Aufmarsch zur Verfügung zu stellen.
Der Masse des finnischen Heeres wird die Aufgabe zufallen, in
Übereinstimmung mit den Fortschritten des deutschen Nordflügels
möglichst starke russische Kräfte durch Angriff westlich oder
beiderseits des Ladoga-Sees zu fesseln und sich in den Besitz von
Hangö zu setzen.
Auch bei der südlich der Pripetsümpfe angesetzten
Heeresgruppe ist in konzentrischer Operation und mit starken Flügeln
die vollständige Vernichtung der in der Ukraine stehenden russischen
Kräfte noch westlich des Dnjeper anzustreben. Hierzu ist der
Schwerpunkt im Raum von Lublin in allgemeiner Richtung Kiew zu
bilden, während die in Rumänien befindlichen Kräfte über den unteren
Pruth hinweg einen weit abgesetzten Umfassungsarm bilden. Der
rumänischen Armee wird die Fesselung der dazwischen befindlichen
russischen Kräfte zufallen.
Sind die Schlachten südlich bezw. nördlich der Pripetsümpfe
geschlagen, ist im Rahmen der Verfolgung anzustreben:
im Süden die frühzeitige Besitznahme des wehrwirtschaftlich
wichtigen Donez-Beckens,
im Norden das schnelle Erreichen von Moskau.
Die Einnahme dieser Stadt bedeutet politisch und wirtschaftlich
einen entscheidenden Erfolg, darüber hinaus den Ausfall des
wichtigsten Eisenbahnknotenpunktes.
B.) Luftwaffe:
Ihre Aufgabe wird es sein, die Einwirkung der russischen Luftwaffe
soweit wie möglich zu lähmen und auszuschalten sowie die Operationen
des Heeres in ihren Schwerpunkten, namentlich bei der mittleren
Heeresgruppe, und auf dem Schwerpunktflügel der südlichen
Heeresgruppe, zu unterstützen. Die russischen Bahnen werden je nach
ihrer Bedeutung für die Operation zu unterbrechen bezw. in ihren
wichtigsten nahegelegenen Objekten (Flussübergänge!) durch kühnen
Einsatz von Fallschirm- und Luftlandetruppen in Besitz zu nehmen
sein.
Um alle
Kräfte gegen die feindliche Luftwaffe und zur unmittelbaren
Unterstützung des Heeres zusammenfassen zu können, ist die
Rüstungsindustrie während der Hauptoperationen nicht anzugreifen.
Erst nach dem Abschluss der Bewegungsoperationen kommen derartige
Angriffe, in erster Linie gegen das Uralgebiet, in Frage.
C.) Kriegsmarine:
Der Kriegsmarine fällt gegen Sowjetrussland die Aufgabe zu, unter
Sicherung der eigenen Küste ein Ausbrechen feindlicher
Seestreitkräfte aus der Ostsee zu verhindern. Da nach dem Erreichen
von Leningrad der russischen Ostseeflotte der letzte Stützpunkt
genommen und diese dann in hoffungsloser Lage sein wird, sind vorher
grössere Seeoperationen zu vermeiden.
Nach dem Ausschalten der russischen Flotte wird es darauf ankommen,
den vollen Seeverkehr in der Ostsee, dabei auch den Nachschub für
den nördlichen Heeresflügel über See, sicherzustellen
(Minenräumung!).
IV. Alle von den Herren Oberbefehlshabern auf Grund dieser Weisung
zu treffenden Anordnungen müssen eindeutig dahin abgestimmt sein,
dass es sich um Vorsichtsmaßnahmen handelt für den Fall, daß
Russland seine bisherige Haltung gegen uns ändern sollte. Die Zahl
der frühzeitig zu den Vorarbeiten heranzuziehenden Offiziere ist so
klein wie möglich zu halten, weitere Mitarbeiter sind so spät wie
möglich und nur in dem für die Tätigkeit jedes Einzelnen
erforderlichen Umfang einzuweisen. Sonst besteht die Gefahr, dass
durch ein Bekanntwerden unserer Vorbereitungen, deren Durchführung
zeitlich noch garnicht festliegt, schwerste politische und
militärische Nachteil entstehen.
V. Vorträgen der Herren Oberbefehlshaber über ihre weiteren
Absichten auf Grund dieser Weisung sehe ich entgegen.
Die beabsichtigten Vorbereitungen aller Wehrmachtteile sind mir,
auch in ihrem zeitlichen Ablauf, über das Oberkommando der Wehrmacht
zu melden.